Zwischen den Zeichen RETISAN und RENASAN besteht im Hinblick auf Waren der Klasse 3 und 5 – trotz teilweiser Warenidentität und unterstellter durchschnittlicher Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise – keine Verwechslungsgefahr.
Sachverhalt
Die Anmelderin meldete die Marke „RENASAN“ für verschiedene Waren der Klasse 3 und 5, darunter für „veterinärmedizinische Erzeugnisse“, an. Die Widersprechende legte daraufhin aus der älteren spanischen Marke „RETISAN“ – geschützt u.a. für „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse“ in Klasse 5 – Widerspruch ein.
Entscheidung
Das Amt weist den auf Art. 8 (1) (b) UMV gestützten Widerspruch zurück. In seiner Prüfung geht es von einer Warenidentität aus und verzichtet unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie auf einen vollständigen Warenvergleich.
Bei den angesprochenen Verkehrskreisen (Verbraucher und Fachkreise) variiere der Grad der Aufmerksamkeit von „durchschnittlich“ bis „hoch“. Die adressierten Ärzte und Tierärzte verfügten über ein hohes Maß an Aufmerksamkeit bei der Verschreibung von Arzneimitteln. Aber auch die Aufmerksamkeit der Verbraucher sei erhöht, da die betroffenen Waren die Gesundheit von Mensch und Tier betreffen.
Das Amt nimmt eine schriftbildlich und klangliche Zeichenähnlichkeit an, die aus der Übereinstimmung von fünf von sieben Buchstaben beider Zeichen („RE“ und „SAN“) hergeleitet wird. Angesichts der Abweichungen in der Zeichenmitte („TI“ vs. „NA“) und dem Umstand, dass der Bestandteil „SAN“ regelmäßig zur Kennzeichnung von Produkten der Schönheits- und Gesundheitspflege verwendet werde und dessen Bedeutung (Ableitung aus dem Lateinischen: sanitas = Gesundheit) allgemein geläufig sei, sei die Zeichenähnlichkeit allerdings nur gering.
Aufgrund der vorstehend beschriebenen Bedeutung des in beiden Zeichen enthaltenen Suffix „SAN“, bestehe auch eine gewisse begriffliche Ähnlichkeit. Diese sei aufgrund der schwachen Unterscheidungskraft des Zeichenbestandteils allerdings gering.
In der vorgenommenen Gesamtabwägung verneint das Amt im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr, wobei es seiner Prüfung eine nur durchschnittliche Aufmerksamkeit der Verkehrskreise zugrundelegt.
Anmerkung
Die Entscheidung des Amtes überrascht. Trotz der zugrundegelegten Warenidentität und einer unterstellten „nur“ durchschnittlichen Aufmerksamkeit der Verkehrskreise, reichen die festgestellten schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeiten nach Auffassung des Amtes nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
Vergleicht man diese Entscheidung mit anderen EUIPO-Beschlüssen aus der jüngeren Entscheidungspraxis zu Klasse 5 (z.B. EUIPO, B 2 169 582, Beschluss vom 16. August 2016 NATIMED = NAXYMED, oder EUIPO, B 2 622 879, Beschluss vom 29. September 2016, METANOR = MEDONOR), hätte die Verwechslungsgefahr mit ebenso schlüssiger Argumentation ohne weiteres auch bejaht werden können. So stufte das EUIPO den Bestandteil „MED“ der zu vergleichenden Zeichen NATIMED vs. NAXYMED ebenfalls als nur gering kennzeichnungskräftig ein. Die Verwechslungsgefahr wurde gleichwohl bejaht, da der Verkehr regelmäßig dem Wortanfang mehr Beachtung schenke und nur selten die Chance habe, beide Zeichen direkt miteinander zu vergleichen.
Die Entscheidung RETISAN ≠ RENASAN ist exemplarisch für die für Markeninhaber wie Anmelder gleichermaßen unbefriedigende Situation der mangelnden Vorhersehbarkeit des Entscheidungsausgangs. Es bleibt abzuwarten, ob die jüngste EUIPO-Entscheidung in einer höheren Instanz eine Korrektur erfährt.
© Dr. Ralf Möller, M.Jur.