Eine relevante Zeichenähnlichkeit und daraus folgend Verwechslungsgefahr kann sich auch aus Übereinstimmungen in generischen oder sonst kennzeichnungsschwachen Bestandteilen ergeben.
Sachverhalt
Das Urteil betrifft einen Widerspruch aus der Gemeinschaftswortmarke „Interfog“, registriert unter anderem für „preparations for destroying vermin; fungicides, herbicides“, gegen die Gemeinschaftswortmarkenanmeldung „INTERFACE““ für „preparations for destroying plants and vermin, insecticides, herbicides, fungicides“. Das Amt hat dem Widerspruch stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Mit ihrer Klage macht die Anmelderin geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht Warenidentität angenommen. Weiter rügt sie, dass entgegen der Annahme der Beschwerdekammer nur eine geringe Zeichenähnlichkeit bestehe, da das Präfix „inter“ ein generischer Begriff sei und daher in den Vergleichszeichen keine dominierende Rolle einnehmen könne; der Verkehr werde sein Hauptaugenmerk auf die weiteren Bestandteile der sich gegenüberstehenden Zeichen richten, die klanglich und schriftbildlich unterschiedlich seien. Da die angemeldete Marke im Gegensatz zu der Widerspruchsmarke eine eindeutige Bedeutung habe, bestünden darüber hinaus auch begriffliche Unterschiede.
Entscheidung
Das EuG weist die Klage ab. Die Richter bestätigen zunächst die Auffassung der Beschwerdekammer, dass sämtliche sich gegenüberstehenden Waren identisch sind, da die von der angemeldeten Marke beanspruchten „preparations for destroying plants“ den Oberbegriff der für die Widerspruchsmarke geschützten „fungicides“ und „herbicides“ bildeten. Die Beschwerdekammer habe auch zu Recht eine relevante Zeichenähnlichkeit festgestellt. Aufgrund der Übereinstimmung in dem Bestandteil „inter“ und der Ähnlichkeit der weiteren Bestandteile „face“ und „fog“ seien die Zeichen insgesamt schriftbildlich und klanglich ähnlich. Die Anmelderin weise zwar zu Recht darauf hin, dass das Präfix „inter“ kennzeichnungsschwach sei. Der Anmelderin sei auch darin zuzustimmen, dass die Aufmerksamkeit der Verkehrskreise aufgrund der Natur der in Rede stehenden Waren erhöht sei, sodass diese die Unterschiede zwischen den Zeichen eher wahrnehmen würden. Das ändere aber nichts daran, dass die Vergleichszeichen in ihrem Gesamteindruck klanglich und schriftbildlich ähnlich seien, da sie in dem Bestandteil „inter“ identisch übereinstimmten, der jeweils weitere Bestandteil mit demselben Buchstaben beginne und die Zeichen zumindest nach der Aussprache in einigen Amtssprachen dieselbe Silbenzahl aufwiesen. Diese klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit werde auch nicht durch begriffliche Unterschiede neutralisiert. Selbst wenn die Verkehrskreise der angemeldeten Marke „INTERFACE“ eine begriffliche Bedeutung zuordnen würden, handele es sich insoweit um ein abstraktes Konzept, das im Zusammenhang mit den betroffenen Waren keine Assoziationen hervorrufe, die eine auf diesem Konzept basierende Erinnerung erleichtern könnten.
Anmerkung
Die Entscheidung bestätigt die Tendenz in der jüngeren europäischen Rechtsprechung und Amtspraxis, dem Umstand, dass einem Bestandteil einer zusammengesetzten Marke nur geringe oder gar keine Unterscheidungskraft zukommt, eine eher geringe Bedeutung im Zeichenvergleich beizumessen. Selbst glatt beschreibende Bestandteile werden nicht vollständig ausgeblendet, sondern in den Gesamtvergleich einbezogen mit der Folge, dass sich eine relevante Zeichenähnlichkeit und daraus folgend Verwechslungsgefahr auch aus Übereinstimmungen in solchen Bestandteilen ergeben können. Das ist zum einen im Zusammenhang mit Anmeldungen, insbesondere bei Recherchen im Vorfeld von Anmeldungen, zu beachten, da sich relevante Risiken auch aus Zeichen ergeben können, die mit der recherchierten Bezeichnung nur in beschreibenden oder sonst kennzeichnungsschwachen Bestandteilen übereinstimmen. Zum anderen ist diese Entscheidungspraxis auch in der Kollisionsüberwachung zu berücksichtigen, da Widersprüche auch dann zu erwägen sind, wenn die Ähnlichkeit der Zeichen sich weitgehend auf beschreibende oder sonst kennzeichnungsschwache Bestandteile beschränkt.
© Dr. Jan Peter Heidenreich, LL.M.