Das arzneimittelrechtliche Verbot gleicher Bezeichnung (§ 25 Abs. 3 S. 1 AMG) meint nur vollständig wortlautidentische Benennungen des Arzneimittels, die als solche Bestandteil der Zulassung sind. Ob die Verwendung einer Dachmarke für Arzneimittel mit unterschiedlichen Wirkstoffzusammensetzungen irreführend ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Typischerweise weist sie auf die gemeinsame Herkunft aus einem bestimmten Betrieb, und nicht auf eine Übereinstimmung bei Wirkstoffen oder Indikationen, hin. Jedenfalls im Bereich der Schmerz- und Erkältungsmittel erwartet der Verbraucher unter einer Dachmarke nicht stets Arzneimittel mit identischer Zusammensetzung und Wirkweise.
Sachverhalt
In dem Verfahren vor dem OVG NRW hatte die Vorinstanz das BfArM darin bestätigt, dass trotz unterschiedlicher Zusatzbezeichnung von einer gleichen und damit per se unzulässigen Bezeichnung im Sinne des AMG auszugehen sei. Zudem liege eine Irreführung vor, weil der Verkehr bei der gewählten Dachmarke durchgehend Präparate mit dem Wirkstoff Ibuprofen erwarte. Durchaus vergleichbar ging es in der Entscheidung des VG Köln vom 16. September 2014 um die Auffassung des BfArM, wonach die gewählte Dachmarke beim Verbraucher die Vorstellung hervorrufe, es handele sich um Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen, jedenfalls aber auch mit Ibuprofen (Grippostad). Das OLG Saarbrücken hatte sich in der Entscheidung vom 15. Oktober 2014 mit einer Abmahnung eines Verbandes zu befassen, der die Irreführung wegen der Verwendung einer Dachmarke für zwei Schmerzmittel mit unterschiedlichen Wirkstoffen geltend machte.
Entscheidungen
Allen drei Entscheidungen ist gemeinsam: Das arzneimittelrechtliche Verbot gleicher Bezeichnung gilt nur bei wortlautidentischer Benennung. Wegen der unterschiedlichen Zusätze waren die gewählten Bezeichnungen aber nicht vollständig identisch. Die Nutzung einer Dachmarke für ein Arzneimittel mit einem abweichenden Wirkstoff mag in der Regel irreführend sein. Immer aber kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Das VG Köln: Unterschiedliche Darreichungsformen (oral, Balsam) verhindern, dass der Verbraucher mit der Dachmarke denselben Wirkstoff assoziiert. Erzeugt die Dachmarke nur die Assoziation zum Anwendungsgebiet „Erkältung“, liegt keine Irreführung über den Wirkstoff vor. Das OVG NRW bezieht auch das grundsätzliche Interesse des Unternehmens ein, das positive Image einer Marke auf weitere Arzneimittel zu übertragen. Das OLG Saarbrücken nennt ebenfalls die grundsätzliche Gefahr, dass Verbraucher, die ein Markenpräparat kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes neues Arzneimittel hinsichtlich Indikation und therapeutischer Wirksamkeit als gleich oder zumindest ähnlich wahrnehmen. Gleichwohl sei im konkreten Fall keine Irreführung gegeben. Die Verbrauchervorstellung sei gerade im Bereich der Schmerzbehandlung seit vielen Jahren durch zahlreiche Dachmarken mit verschiedenen Wirkstoffen geprägt, was das BfArM in der Vergangenheit durch die Zulassung solcher Dachmarken für verschiedene Wirkstoffe befördert habe, und zwar auch bei bekannten Marken mit hohen Marktanteil.
Anmerkung
Es ist sehr erfreulich, dass diese drei Entscheidungen dem berechtigten Interesse des Markeninhabers, das positive Image der Marke im Rahmen eines Dachmarkenkonzeptes zu nutzen, Rechnung tragen. Künftig wird man nicht mehr ohne Weiteres annehmen können, dass die Verbrauchererwartung an die Dachmarke mit einem bestimmten Wirkstoff verbunden ist. Immer ist im Rahmen der Einzelfallprüfung nachzufragen, worauf sich die Erwartung des Verbrauchers konkret bezieht. Erfreulich ist auch, dass sich die Gerichte endgültig von der früheren weiteren Auslegung des arzneimittelrechtlichen Verbots gleicher Bezeichnung verabschiedet haben.
© Rainer Kaase, LL.M.