Die Übereinstimmung in einem beschreibenden Bestandteil führt bei eingliedrigen Zeichen ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht dazu, dass die diese Zeichen durch den jeweils anderen (abweichenden) Bestandteil geprägt werden.
Sachverhalt
Die Beschlüsse betreffen eine Wortmarke „Dorovit“ und eine Wort-/Bildmarke, die die Packungsvorderseite eines Nahrungsergänzungsmittels mit der Marke „Dorovit“ und weiteren Wort- und Bildbestandteilen wiedergibt. Beide Marken haben in Klasse 5 nach Teilverzicht Schutz beansprucht für „Vitamin C und Zink enthaltende mineralische Nahrungsergänzungsmittel“. Gegen die Marken ist aus der älteren Wortmarke „Korovit“ mit Schutz unter anderem für „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse“ und „diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke“ Widerspruch eingelegt worden. Das DPMA hat eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der Marken für die genannten Waren der Klasse 5 angeordnet. Dagegen richten sich die Beschwerden der Markeninhaberin; diese ist der Auffassung, dass der Widerspruchsmarke, die sich aus „koronar“ und „vital“ ableite und sich damit an beschreibende Begriffe anlehne, nur eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft zukomme; weiter meint sie, dass angesichts der Abweichung am stärker beachteten Wortanfang und der Übereinstimmung nur in dem kennzeichnungsschwachen Bestandteil „-vit“ keine Verwechslungsgefahr bestehe.
Entscheidung
Das BPatG weist die Beschwerden zurück. Die angegriffenen Marken würden Schutz für potentiell identische, jedenfalls aber hochgradig ähnliche Waren beanspruchen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei zumindest durchschnittlich. Zwar könne in „Koro-“ eine Verkürzung des Begriffs „koronar“ und in „-vit“ eine Verkürzung von „Vitamin“ bzw. von „vital“ gesehen werden kann. Das führe aber nicht zur Annahme einer originär geringen Kennzeichnungskraft, da sich die Kennzeichnungskraft zusammengesetzter Zeichen nach deren Gesamteindruck bestimme und die Widerspruchsmarke im Gesamteindruck ein neues Kunstwort bilde. Bei dieser Ausgangslage hielten die angegriffenen Marken den erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein. Der Unterschied in den Anfangskonsonanten wirke sich, auch wenn Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet würden, klanglich nicht ausreichend differenzierend aus. Auch eine Kennzeichnungsschwäche der übereinstimmenden Endungen „-vit“ führe nicht dazu, dass diese bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr unberücksichtigt bleiben würden; der maßgebliche Gesamteindruck könne auch durch solche kennzeichnungsschwachen Elemente mitbestimmt werden. Schließlich könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Vergleichsmarken wegen Schwäche des Bestandteils „-vit“ nur durch die abweichenden Wortanfänge geprägt würden und damit Kurzwörter zum Vergleich stünden. Zwar könne die Prägetheorie auch bei einteiligen Zeichen anwendbar sein; das setze aber voraus, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Veranlassung habe, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen. Solche besonderen Umstände würden hier nicht vorliegen; insbesondere reiche es insoweit nicht aus, dass ein Zeichenteil möglicherweise beschreibender Natur sei, wie es vorliegend für „-vit“ in Betracht komme.
Anmerkung
Die Entscheidungen bestätigen den Grundsatz, dass Zeichen stets in ihrer Gesamtheit zu vergleichen sind. Die Kennzeichnungsschwäche eines übereinstimmenden Bestandteils führt daher nicht ohne Weiteres dazu, dass die Vergleichszeichen durch die jeweils abweichenden Bestandteile geprägt werden. Bei eingliedrigen Zeichen sind vielmehr besondere Umstände erforderlich, die dem Verkehr Veranlassung geben, diese Zeichen ausnahmsweise zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen. Solche besonderen Umstände hat der BGH etwa bei dem Zeichen „Pentohexal“ gesehen (GRUR 2008, 905, Rz. 26 und 38), da der Verkehr in diesem Zeichen trotz der Zusammenschreibung die ihm bekannte Firmenbezeichnung „Hexal“ erkenne. Bei einem beschreibenden Bestandteil wie „-vit“ kann eine entsprechende zergliedernde Betrachtung dagegen nicht angenommen werden. Insoweit bleibt es daher beim Vergleich der Zeichen in ihrer Gesamtheit.
© Dr. Jan Peter Heidenreich, LL.M.