Auch kennzeichnungsschwache Elemente (wie hier „Bio-“ für pharmazeutische Produkte) können zur Verwechslungsgefahr beitragen. Eine Monopolisierung beschreibender Zeichenbestandteile ist nicht zu befürchten, da diese Elemente nur in Kombination mit weiteren Zeichenbestandteilen Schutz genießen. (Leitsatz der Redaktion)
Sachverhalt
Die Entscheidung betrifft die Anmeldung der Wortmarke Biocert zum Gemeinschaftsmarkenregister. Die Marke beanspruchte Schutz für pharmazeutische Erzeugnisse und andere Waren in Klasse 5. Gegen die Anmeldung legte die Inhaberin der älteren österreichischen Marke Biocef Widerspruch ein. Die Widerspruchsmarke schützte ebenfalls pharmazeutische Erzeugnisse. Die Widerspruchsabteilung des HABM wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Auch die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Die Beschwerdekammer stellte fest, dass der übereinstimmende Zeichenanfang Bio- im Deutschen eine gängige Abkürzung für biologisch sei. Sie habe eine beschreibende Bedeutung, so dass der Verkehr seine Aufmerksamkeit vermehrt auf die Elemente –cef und –cert richten würde, die sich hinreichend voneinander unterschieden. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Widersprechende mit ihrer Klage.
Entscheidung
Die Klage ist erfolgreich. Entgegen der Ansicht des HABM stünden sich die Marken verwechslungsfähig gegenüber. Im Hinblick auf die relevanten Verkehrskreise hat die Klägerin ausgeführt, dass Verbraucher pharmazeutischen Erzeugnissen nur eine durchschnittliche Aufmerksamkeit entgegenbringen würden. Insofern sei zu berücksichtigen, dass es Präparate gäbe, die in Apotheken, Drogerien und Supermärkten frei erhältlich seien. Unter den Begriff der pharmazeutischen Erzeugnisse fielen deshalb auch Präparate gegen kleinere Beschwerden, etwa leichte Kopfschmerzen, eine triefende Nase, leichter Sonnenbrand, Insektenstiche oder Blähungen. Ferner gäbe es auch billige Präparate, die routinemäßig erworben würden. Schließlich könne der Verbraucher Arzneimittel auch am Telefon oder im Internet erwerben, während er durch seine Umwelt abgelenkt sei. Das EuG folgte diesen Argumenten nicht. Es handele sich um Produkte, die die Gesundheit beträfen und denen der Verkehr daher mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit begegne. Im Hinblick auf den Vergleich der in Rede stehenden Zeichen verweist das Gericht auf seine frühere Rechtsprechung, wonach „Bio“ im pharmazeutischen Bereich beschreibend sei. Indes sei zu berücksichtigen, dass auch kennzeichnungsschwache Elemente nicht automatisch außer Acht gelassen würden. Vielmehr könnten sie den Gesamteindruck eines Zeichens mitprägen, und zwar namentlich dann, wenn sie aufgrund ihrer Größe oder Positionierung am Zeichenanfang Aufmerksamkeit erregen. Dies sei vorliegend der Fall. Im Übrigen stimmen die Zeichen nicht nur im Anfangsbestandteil Bio- überein, sondern auch in den beiden anschießenden Buchstaben -ce-. Im Hinblick auf das beschreibende Element sei zudem ein gewisser Grad an begrifflicher Ähnlichkeit gegeben. Der daraus resultierenden Verwechslungsgefahr könne schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass der Wortbestandteil „Bio“ monopolisiert werde, da die Verwechslungsgefahr nur unter Mitberücksichtigung weiterer Bestandteile gegeben sei.
Anmerkung
Es kommt nicht oft vor, dass sich das EuG anders positioniert, als die Widerspruchsabteilung und Beschwerdekammer des HABM. Insofern darf man das Urteil statistisch als Überraschung werten. Der Sache nach ist die Entscheidung allerdings deutlich weniger überraschend. Sie reiht sich in zahlreiche Urteile des EuG ein, die zwei Tendenzen verfestigen: Im Hinblick auf die Aufmerksamkeit der allgemeinen Verkehrskreise hat die Klägerin umfangreich vorgetragen und begründet, dass nur von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit auszugehen sei. Mit seiner abweichenden Beurteilung zementiert das EuG einen statischen Ansatz, wonach bei Arzneimitteln stets von einer gesteigerten Aufmerksamkeit auszugehen sei. Da diese Beurteilung der Feststellung der Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht im Wege stand, wird die Klägerin dies allerdings verschmerzen können. Auch der vom EuG angestellte Zeichenvergleich liegt auf einer Linie mit diversen Urteilen, in denen das Gericht gerade in letzter Zeit den Grundsatz betont, dass auch kennzeichnungsschwache Elemente zum Gesamteindruck konfligierender Zeichen beitragen und verwechslungsfördernd wirken können. [Red.]