Lines Perla vs Linex
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16. Oktober 2014

Lines Perla ≠ Linex

EuG, Urt. v. 16.10.2014, T-444/12

Sachverhalt

Die Entscheidung betrifft die Wortmarkenanmeldung „LINEX“ für „pharmazeutische Produkte mit Lactobacillus acidophilus“ der Klasse 5. Der Widerspruch war gestützt auf die ältere italienische Wortmarke „LINES PERLA“, die unter anderem die Waren „Damenbinden; Hygienewindeln gegen Inkontinenz“ der Klasse 5 umfasst. Die Widerspruchsabteilung gab dem Widerspruch aufgrund einer Verwechslungsgefahr gemäß Artikel 8 Abs. 1 lit. b GMV statt. Die von der Anmelderin eingelegte Beschwerde war erfolglos. Die Kammer stütze sich in ihrer Entscheidung insbesondere auf die Annahme einer hohen Warenähnlichkeit.

Entscheidung

Die Auffassung des HABM wurde vom Gericht nicht geteilt. Die Klage war erfolgreich und die Entscheidung der Beschwerdekammer wurde aufgehoben. Entgegen der Ansicht des HABM war das Gericht der Auffassung, dass die im Verfahren vor dem HABM vorgelegten Unterlagen gerade nicht den Schluss einer hohen Warenähnlichkeit zulassen. Das Gericht beschäftigte sich intensiv mit der Frage, wozu und wie Loctobacillus acidophilus enthaltende pharmazeutische Produkte eingesetzt werden bzw. werden könnten. Einigkeit bestand darin, dass der Anwendungsbereich beider Waren unähnlich ist – einerseits orale Anwendung oder topische Applizierung, andererseits Urin- bzw. Blut-absorbierende Windeln zur Verwendung in Unterwäsche. Hinsichtlich des Verwendungszwecks stellte sich das Gericht auf Seite der Klägerin. Es ließe sich aus den eingereichten Unterlagen nicht der Schluss ziehen, dass Inkontinenz oder vaginale Infektionen durch Windeln mit Lactobacillus acidophilus behandelt werden können. Bereits die Tatsache, dass dieses Bakterium zur Inkontinenzbehandlung eingesetzt werden könnte, sei weder nachgewiesen worden noch allgemein bekannt. Zudem sei die Existenz medizinischer Windeln mit solchen Bakterien nicht nachgewiesen und es sei auch völlig unklar, inwieweit die reine Aufbringung eines solchen Bakteriums auf eine Hygienewindel überhaupt dazu geeignet ist, Vaginalkrankheiten zu behandeln. Dementsprechend kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständlichen Waren ihrer Natur her unähnlich sind, ihr Anwendungsbereich unähnlich ist und lediglich eine sehr geringe Ähnlichkeit hinsichtlich ihres Verwendungszwecks besteht, die Waren sich zudem aber auch nicht ergänzen. Insgesamt lag daher nur eine sehr geringe Warenähnlichkeit vor, die aufgrund der geringeren visuellen und phonetischen Ähnlichkeit der Zeichen nicht ausreichend sei, eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

Anmerkung

Die Einschränkung auf ein konkretes pharmazeutisches Produkt, das ein bestimmtes Bakterium und damit einen bestimmten Wirkstoff enthält, hat vorliegend dazu beigetragen, dass das Gericht die vorliegenden Waren nur zu einem sehr geringen Grad als ähnlich angesehen hat, was letztlich zum Erfolg für die Klägerin geführt hat. Dennoch ist bei solchen Einschränkung Vorsicht geboten: unter anderem in den Rechtssachen T-256/04 (RESPICORT/RESPICUR) und T-222/10 (ZURCAL/ZUFAL) hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass die bloße Bezugnahme auf einen aktiven Wirkstoff nicht ausreichend sei, um klarzustellen, welche therapeutische Indikation die pharmazeutischen Präparate haben, weshalb es die Zurückweisung einer solchen Einschränkung durch die Beschwerdekammer als rechtmäßig anerkannt hatte. Vorzugswürdig ist vielmehr eine Einschränkung auf eine konkrete therapeutische Indikation (siehe zuletzt EuGH, Urt. v. 11.12.2014, C-31/14 P – Pramino/Premeno).

 

© Dr. Johannes Fuhrmann, LL.M.

Johannes Fuhrmann
Dr. Johannes Fuhrmann, LL.M.
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