Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr wirkt es sich verwechslungsmindernd aus, wenn es um Arzneimittel gegen chronische Leiden geht. De insoweit betroffenen Patienten sind in besonderer Weise betroffen, fachkundig und sorgfältig. (Leitsatz der Redaktion)
Sachverhalt
Die Entscheidung betrifft die Eintragung der Wortmarke Tebo für Arzneimittel zur Behandlung des gastrointestinalen Systems und und andere Waren. Gegen die Eintragung legte die Inhaberin der Wortmarke Tobi Widerspruch ein. Die Inhaberin der angegriffenen Marke bestritt daraufhin die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Ausnahme eines Präparats zur Langzeitbehandlung der chronischen Infektion der Lunge mit Pseudomonas aeruginosa bei Patienten mit Mukoviszidose ab sechs Jahren. Unter Anwendung der Grundsätze zur erweiterten Minimallösung nahm die Markenstelle für Klasse 5 einen weitergehenden Rechtserhalt der Widerspruchsmarke für Antibiotika/Antiinfektiva an. Ausgehend von dieser Benutzungslage seien die in Rede stehenden Waren zwar ohne weiteres ähnlich. Angesichts eines deutlichen Indikationsunterschieds sei aber eine sehr hohe Ähnlichkeit zu verneinen. Insgesamt stünden sich die in Rede stehenden Marken nicht verwechslungsfähig gegenüber.
Entscheidung
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden bleibt erfolglos. Nach Ansicht des BPatG hat die Markenstelle den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zu Recht zurückgewiesen. Auch wenn die Widersprechende keine weitergehende Benutzung der Widerspruchsmarke geltend gemacht habe, sei richtigerweise nicht auf das spezielle Präparat abzustellen, für das die Widerspruchsmarke in der Roten Liste eingetragen sei und für die die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung zugestanden hat, sondern auf die entsprechende Hauptgruppe. Davon ausgehend könnten sich die in Rede stehenden Marken anders als von der Markenstelle angenommen auf teils identischen Waren begegnen, so z.B. auf Mitteln gegen bakterielle Infektionen des Magen-Darm-Trakts, bei denen es sich um Antibiotika bzw. Antiinfektiva handeln könne. Dessen ungeachtet halte die angegriffene Marke angesichts der Zeichenunterschiede einen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Entgegen der Widersprechenden sei es auch nicht verwechslungsfördernd, dass chronisch erkrankte Verbraucher bei der Beschaffung zu der Behandlung ihrer Erkrankung benötigten Arzneimittel aufgrund einer gewissen Gewöhnung einen geringen Grad an Aufmerksamkeit walten lassen. Es dürfte wohl eher das Gegenteil der Fall sein. Patienten mit chronischen Leiden seien in besonderer Weise betroffen und würden im Laufe der Jahre eher fachkundig werden und regelmäßig besonders sorgfältig sein. In klanglicher Hinsicht sei trotz einiger formaler Übereinstimmungen ein deutlich unterschiedlicher Klangeindruck gegeben. In schriftbildlicher Hinsicht sei der Markenabstand sogar noch deutlicher. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild gegenüber dem gesprochenen Wort erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel wiederholte Wahrnehmung gestattet, so dass vergleichsweise größere Annäherungen hinzunehmen seien.
Anmerkung
Das von der Anmelderin vorgebrachte Argument, dass gerade bei chronischen Erkrankungen auf Seiten der Verbraucher bei der Arzneimittelbeschaffung ein gewisser Gewöhnungseffekt eintrete, so dass sie beim Erwerb eine geringere Aufmerksamkeit walten lassen würden, ist interessant. Die besseren Argumente sprechen aber wohl dafür, mit dem BPatG anzunehmen, dass sich ein solcher Schluss verbietet. Jedenfalls würde ein durch Gewöhnung bedingtes geringeres Maß an Aufmerksamkeit, durch eine höhere Vertrautheit mit dem Produkt und wohl auch mit etwaigen Alternativpräparaten kompensiert werden. Ob man, wie vom BPatG angedacht, damit zugleich von einer erhöhten Sorgfalt ausgehen sollte, steht hingegen auf einem anderen Blatt. Hier spricht mehr dafür, stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu schauen. Insbesondere sollte stets mitberücksichtigt werden, um was für ein chronisches Leiden es sich handelt. Bei einem Heuschnupfen dürfte die Aufmerksamkeit unabhängig von der Frage, ob dieser chronisch ist oder nicht, anders zu beurteilen sein, als bei einem gravierenden gesundheitlichen Leiden. [Red.]